Erschienen am 17. Juli 2021, im Luxemburger Wort
Eureka! Oder doch nicht?
Die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP), welche der Förderung der Landwirtschaft und der ländlichen Entwicklung dient und fast ein Drittel des Haushaltes der EU ausmacht, wird alle 7 Jahre neu aufgestellt. Nach über 3 Jahren Arbeit wurden am 25. Juni die Verhandlungen zwischen EU-Parlament und Rat zur nächsten GAP (2021-2027) größtenteils abgeschlossen.
Dann herrschte erst mal Chaos. Es schien als ob niemand von der gleichen Reform rede: Die einen sprachen von einer grünen Revolution, die anderen von ‘Business as usual’ zu Kosten der Natur und zukünftiger Generationen.
Was liegt denn nun konkret auf dem Tisch und was bedeutet dies für Luxemburg?
Eine Reform, die keine ist
Während einige von einem Erfolg reden, gibt es bereits seit Anfang dieser Reform vonseiten der UmweltschützerInnen und grünen PolitikerInnen viel Kritik. Angesichts der Dringlichkeit der Lage punkto natürliche Ressourcen, Klimawandel, Biodiversitätsverlust und Höfesterben, forderten eine besorgte Zivilgesellschaft und die Wissenschaft einen Paradigmenwechsel in Sachen Agrarpolitik, angelehnt an die Klima- und Umweltziele, die sich die EU und die Mitgliedstaaten gesetzt haben. Diese Fraktion ist über das Endresultat nun bitter enttäuscht.
Fakt ist, dass diese GAP primär auf einer Logik der Flächenprämien verharrt, anstatt die Belohnung von Leistungen, etwa für die Umwelt, das Klima, die Biodiversität oder Tierwohl in den Mittelpunkt zu stellen.
Eco-Schemes: die große Hoffnung?
Ein zentrales Element einer nachhaltigeren GAP sollten sogenannte Eco-Schemes werden, das heißt Maßnahmen für Umwelt, Klima oder Tierschutz, welche die Mitgliedsstaaten verpflichtend anbieten müssen und für LandwirtInnen freiwillig sind. Das klingt erstmal gut, leider gibt es keine Garantien, welche Maßnahmen als Eco-Schemes gelten werden und ob die hierfür geplanten Ausgaben wirklich einen Nutzen für die Natur haben und eine spürbare Verbesserung herbeibringen werden, da die Staaten diese Eco-Schemes selbst entwerfen und das Ambitionsniveau niedrig ansetzen können. Zudem besteht ein Risiko, dass bereits bestehende Maßnahmen oder gar Praxen, die es schon auf dem Feld oder im Stall gibt, einfach als Eco-Schemes umbenannt werden, was also wenig Veränderung mit sich bringen würde. Hinzu kommt, dass das Budget für Eco-Schemes während den Verhandlungen vom Rat heruntergehandelt wurde. Von den 30%, die das Parlament forderte, bleiben jetzt 25% über, mit einer zweijährigen Lernphase von 20% und einem Ausgleichungsmechanismus, der es möglich macht, sogar auf 12,5% herunterzugehen.
Verwässerte Grundregeln
Auch bei der Konditionalität, das heißt den Standards an die sich Betriebe halten müssen, um Zahlungen zu bekommen, ist nicht alles grün was glänzt. Eine Konditionalität der GAP-Zahlungen gibt es schon seit 2003, jedoch hat sie bis jetzt wenig gebracht: in den letzten Jahren hat sich der Artenschwund in den Feldern und auch die Umwelt- und Gesundheitsbelastung durch Pestizide, Antibiotika und synthetische Düngemittel eher zugespitzt. Hier verspricht die nächste GAP trotz Verbesserungsversuche der EU-Parlaments wenig Erlösung, denn von einer angekündigten verstärkten Konditionalität bleibt wenig über, wie man an den Beispielen Fruchtfolge und Biodiversitätsfläche sieht.
Unter Fruchtfolge versteht man eine Abwechslung verschiedener Nutzpflanzenarten auf einer gleichen Fläche. Anstatt 5 Jahre Monokultur, wechseln sich 3 bis 5 verschiedene Pflanzenarten ab. Dies ermöglicht einen verringerten Einsatz von Dünger und Pestiziden und ist sehr vorteilhaft für die Gesundheit der Böden. Das Parlament sprach sich für eine vierjährige Fruchtfolge aus, übrig blieb bloß ein jährlicher Wechsel zwischen zwei Arten und dies auch nur für Betriebe ab 10 Hektar, was 80% der Betriebe der EU ausschließt.
Ein weiteres ernüchterndes Beispiel ist die etwas kompliziert klingende ‘Erhaltung nicht produktiver Landschaftselemente zur Erhöhung der Biodiversität’. Die Idee ist einfach: der Weltbiodiversitätsrat urteilte, dass die intensive Landwirtschaft massiv zum Artensterben beiträgt und dass es, neben strikteren Regeln für den Einsatz von Chemie, auch eine gewisse Fläche geben muss, die einfach nicht genutzt, sondern der Natur und Biodiversität überlassen wird. Mindestens 10 % ‘Space for Nature’ sollte es der Wissenschaft nach auf jedem Hof geben. Die neue GAP sieht jedoch nur 4% vor, wobei es auch hier Schlupflöcher gibt, für Betriebe mit mehr als 75% Grünland gilt diese Regel zum Beispiel nicht.
Eine fairere Agrarpolitik?
Kleinere landwirtschaftliche Betriebe kämpfen vielerorts ums Überleben; um die 1000(!) Höfe verschwinden pro Tag in der EU. Befürworter der frisch verhandelten GAP heben gerne eine anscheinend größere Fairness bei der Verteilung der Gelder hervor, bei der vor allem kleine Betriebe besonders unterstützt werden sollen. In der nächsten GAP werden Mitgliedstaaten nämlich zum ersten Mal 10% der Zahlungen umverteilen müssen, von den größten Betrieben an die kleinsten. Wenn man jedoch bedenkt, dass aktuell europaweit 20% der Betriebe 80% der Gelder bekommen, dann sieht man, dass 10% kaum etwas an dieser von Grund auf ungerechten Verteilung verändern werden.
Auch eine verbindliche Deckelung der Zahlungen wurde vom Rat resolut abgelehnt. Das EU-Parlament setzte sich vergebens für eine Obergrenze von 100.000 ein, mit einer Abrechnung von Arbeitskosten und Zahlungen für Umweltleistungen. Doch auch in Zukunft wird die Mehrheit des Geldes an Großbetriebe fließen, während Kleinbetriebe weiter unter der destruktiven Logik der Flächenprämien und dem Wachstumsdruck leiden und das Höfesterben in Europa munter voranschreiten wird.
Trotz Greenwashing, einige Lichtblicke
Fazit: dies ist eine Minimareform, mit schönen Überschriften, jedoch wenigen konkreten Verbesserungen und dabei noch voller Schlupflöcher und Risiken für eine Verwässerung bereits niedriger Klima- und Umweltambitionen. Wer sie global schönredet und gutheißt, tut niemandem, ausser vielleicht der Agrarindustrie, einen Gefallen.
Trotz aller Kritik an dieser verfehlten Reform muss man eingestehen, dass es auch einige wenige Elemente gibt, die wahrlich neu und positiv sind. So wird auf Nachdruck des Parlaments zum Beispiel zum ersten Mal eine soziale Dimension in der Konditionalität der GAP verankert. Ab 2025 können Bertriebe, die sich nicht an die Gesetzgebung zum Arbeitnehmerschutz halten, Abzüge bei den Zahlungen erwarten.
Positiv ist auch ein Eingeständnis zu mehr Transparenz bei der Verteilung der Gelder. Denn die stetig wachsende Konzentration von Agrarland ist ein großes Problem in Europa. Kleinere Betriebe werden durch größere Strukturen verschluckt und auch für Neueinsteiger wird der Zugang zu Land immer schwieriger. Oft ist nicht klar, ob ein Betrieb Teil einer größeren Struktur ist und wer dahintersteckt. Auch gravierende Interessenkonflikte blieben dadurch größtenteils verborgen; Viktor Orban, dem Premier Ungarns, sollen zum Beispiel pro Jahr über 40 Millionen Euro an GAP-Gelder in die Taschen fließen. In Zukunft werden Mitgliedstaaten, auf Nachdruck der Grünen, zumindest veröffentlichen müssen, welche Großbetriebe sich hinter welchen Betrieben verbergen.
Letzte Chance für Luxemburg: nationaler Strategieplan
Die Mitgliedstaaten müssen bis Ende des Jahres nationale Strategiepläne zur Umsetzung der GAP der EU-Kommission zur Gutheißung vorlegen. Nur ambitiöse nationale Pläne können jetzt noch die auf EU-Ebene fehlende Ambition kompensieren. Die Flexibilität, welche die nächste GAP bietet, muss Luxemburg also maximal nutzen. Wir dürfen die Chance nicht verpassen, unsere nationale Agrarstrategie zum Vorbild für eine zukunftsfähige Landwirtschaftspolitik zu machen, in Sachen Artenschutz, Klimaschutz und Förderung von Biolandwirtschaft. Im Dialog mit den betroffenen Sektoren geht es darum, durch kreative Ansätze, angemessene Unterstützung und kürzere Lieferketten, Arbeitsplätze und natürliche Ressourcen für die Zukunft zu sichern.
Tilly Metz ist EU-Abgeordnete und grüne Berichterstatterin für die Verordnung über die Finanzierung, Verwaltung und Überwachung der Gemeinsamen Agrarpolitik.